janne on line
Neben Essen bestimmt das zweithäufigste Thema bei allen China-Reisenden. Es geht immer noch ums Überleben! Nachdem wir neulich in der Stadt ein Taxi an Punkt A nahmen, um zu einem weiteren Ort [nennen wir ihn Punkt B] innerhalb der Stadt zu gelangen, hab ich am Ende der Fahrt etwas Angst bekommen. Als der Taxifahrer nämlich auf dem Plan zeigen sollte, wo genau wir uns denn nun befinden, musste er erst seine fette Lesebrille aus dem Handschuhfach fingern, danach das Leselicht einschalten und anschließend die Karte so dicht vor sein Gesicht halten, dass ich nicht glaube, dass er überhaupt über das Ende der Motorhaube hinaus sehen konnte. Besser ist allerdings, sich einzureden, dass er einfach keine Karte lesen kann, weshalb er sich absichtlich blind gestellt hat. An diesem Abend mussten wir dann noch von Punkt B nach Hause gelangen. Zum Glück war der Taxifahrer diesmal nicht blind. Nur betrunken, aber dafür ist er echt gut gefahren. Da wir sechs Leute waren, mussten wir zwei Taxen nehmen - und die anderen haben vor uns eins bekommen. Dennoch waren wir schneller da - und haben weniger bezahlt. Ich habe gehört, dass man bis vor einiger Zeit für seinen Führerschein nur Geld bezahlen musste. Ein Glück. Dann ist ja alles klar.
Wer allerdings bestimmt einen Führerschein braucht, sind unsere Busfahrer. Auf dem Bild sieht man den Wende"kreis" an der Uni. Es muss wirklich bis an die Mauer vorgefahren werden - und mit Schwung geht das ja bekanntlich besser, um dann reaktionsschnell einzulenken und in zwei Zügen den Bus gedreht zu haben. Statt eines Führerscheins reichen aber optional auch einige Jahre Ralley-Erfahrung. Hier ist progressives Fahren angesagt. Vor allem als Bus. Da drängt man/frau unter Gehupe auch mal ein paar Bonzenkarren ab. Oder es wird rechts über eine Verkehrsinsel geballert, weil man ja links abbiegen möchte. Schön ist auch, wie intensiv die meisten Busfahrer sich in die Kurve legen! Da weiß man schon: Ohje, nun besser mal irgendwo festkrallen. Bremsmanöver und Kurvenfahrten sind übrigens auch unabhängig von der Anzahl der Passagiere. Auch mit nem vollsten RushHourBus kann noch gerast werden. Meistens sind die weiblichen Busfahrer [zahlenmäßig auf jeden Fall gleichberechtigt!!] die gesitteteren Fahrer. Zumindest ist ihr Fahrstil ruhiger.
Neulich begab sich folgende Situation: unser Bus nahte schon heran, während wir noch auf dem Weg zur Bushaltestelle waren. Darum bitte etwas zügiger laufen - doch was geht denn nu ab? Unsere 606 wird von der vor ihr fahrenden 313 ausgebremst. Die Busfahrerin im vorderen Bus steigt aus, wild gestikulierend und zeternd, geht zu unserem Busfahrer, dieser macht aus Reflex noch die Tür auf...sie stürmt rein und drischt mehrere Male auf ihn ein. Irgendwann steht er auf, um sich besser verteidigen zu können, einige Fahrgäste greifen auch ein... Dann steigt die Busfahrerin wieder aus, geht zu ihrer 313 und fährt die letzten Meter bis zur Bushaltestelle vor, als sei nichts passiert. Kurze Überlegung: ist es klug im Angesicht der geschwindigkeitsrekordverdächtigen, fliehkräftigen 270° Linkskurve in 300m wirklich bei einem Busfahrer einzusteigen, der grad von einer Frau verprügelt wurde? Mist, schon den einen Yuan bezahlt und eingestiegen. Zum Glück kann er auch wenig Anschwung nehmen, denn bis zu unserer Abfahrt trottelt die 313 gemütlich vor uns her, wechselt mehrfach die Spuren, sobald unser Fahrer versucht zu überholen. Endlich in der Kurve angelangt, werden beide Busse nochmal merklich langsamer - und ALLE [egal in welchem Bus, ob Fahrer oder Fahrgast] beschimpfen sich per Fingersprache. Super. Leider können wir kein Chinesisch, also bleibt ungeklärt, ob die Beiden die letzten Kilometer vor unserer Haltestelle ihre Probleme miteinander ausbauen konnten, oder ob sie vielleicht mal eine teilweise tiefergehende Beziehung hatten.
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