Ein neuer Monat hat begonnen, wir haben mehrere Tage am Stück frei...da kann man doch mal das neue Nest verlassen?! Also ab zum Bahnhof, um mit nem schnellen Zug [D-Zug, langsamer Zug = K-Zug, dazu gleich mehr] in die Hauptstadt unserer Provinz ShanDong zu fahren. JiNan hat ebenfalls unter deutschem Kolonialismus gelitten, zu erkennen aber nur noch an einigen wenigen etwa hundert Jahre alten Gebäuden. Unsere größte Hürde mussten wir aber eh schon in Qingdao überwinden: nach ner einstündigen Busfahrt kamen wir zwar am Bahnhof an: aber ein gewohntes Bild zeigte uns, dass dieser Fußgängerüberweg offensichtlich nicht für Fußgänger ohne Sprungstiefel geeignet war. Kein Problem. Umrunden wir den Bahnhof halt - da wird sich schon ein Zaun im Loch offenbaren. Ja, es gab ein Loch, aber man musste tatsächlich weit laufen!
Der Bahnhof unserer neuen Heimat ist sehr sehr sauber, aufgeräumt, groß, modern und wirklich hübsch! Das große alte -deutsche- Bahnhofsgebäude ist im StahlBetonWahn der Neunziger abgerissen worden - aber nach Protesten (!) wieder rekonstruiert errichtet worden. Bahnfahren ist hier krass organisiert! Nachdem man sein Ticket erworben hat, geht´s durch ne Sicherheitskontrolle, mit Abtasten und Kofferscanner und dann in den entsprechenden Wartesaal. Qingdao hat vier Wartesäle [augeteilt nach: bei - Nord, nan - Süd, xi - West und dong - Ost], wobei jeder Zugverbindung ein Wartesaal fest zugeschrieben wird. Man wartet auf keinen Fall am Bahnsteig, da gelangt man nämlich gar nicht hin! Sobald der Zug einläuft, stellt man sich zum nächsten CheckIn auf und kommt so erst in die Nähe des Zuges! Find ich viel angenehmer als in Deutschland - vor allem nach unserem Berlin-Xmas-Special, als die Bahn und knapp eine Stunde lang um weitere fünf Minuten vertröstet hat...sowas würde hier nicht passieren! Sehr schön.
Nebenbei sei gesagt: die Fahrt im D-Zug entspricht einer ICE-Fahrt. Etwas schneller, mehr Service, deutlich geräuschloser - und 320 km kosten mit Sitzplatz 122 Yuan. Ohne Frühbucherrabbat - auch für Spontankäufer! Also 320 km vorbei an Gewächshäusern und Feldern, Kohlekraftwerken, mehr oder weniger ökologisch bedenklichen Landstrichen...
In JiNan angekommen, wurde gleich klar, wo ich nun bin. Es ist das Drehkreuz für den Bahnverkehr der chinesischen Küsten, und irgendwie auch der Nord-Süd-Achse. Also: rein ins Getümmel! Und nicht davon irritieren lassen, dass es hier neben rücksichtlosen Autofahrern auch noch andere Menschen, Mofas, Fahrräder, Motorräder und Roller gibt. Und TöffTöffs - sowie irgendwelche Zwittergefährte [aus Rikscha, Roller, TöffTöff]. Fies nur: viele Kleingeräte sind hier mit Strom unterwegs...die hört man nicht! Also noch mehr AugenAuf!
Erstmal raus aus dem Bahnhofsgetümmel. Und nach mehreren Versuchen gelang dies auch. Ne Karte in HanZi - ohne PinJin sollte nun helfen. Das Ziel: der berühmte große, helle See. DaMingHu - NaherholungsOrt der 90 Quellen [grobe Schätzung]. Vorbei an schon frühlingshaften Straßenrändern... Und da waren sie wieder: die lustigen Eindrücke der chinesischen Arbeitswelt. Arbeitsschutz wird wie immer groß geschrieben - und vermutlich darf der ranghöchste oben arbeiten? Da hier aber nur vier Arbeiter am Werk sind, fehlen die anderen drei wohl - offensichtlich ist ihre Arbeitsbühne aber vorhanden.
Mal wieder das Spannendste an einer neuen Stadt: der Verkehr. Hier sind also nicht nur sechsspurige Straßen, mit aussagefreien Ampelanlagen und Zebrastreifen - hier gibt es auch noch Radwege - die einfach nur von allem befahren werden, was [mindestens] zwei Räder hat. Beim Überqueren einer Kreuzung wird´s dann wirklich langsam abenteuerlich...
Am DaMingHu angekommen ging´s dann auch recht bald um das zweitwichtigste Thema der Ausländer in China: Essen. Also fix nen Restaurant gesucht, in einem Park der 30 Yuan Eintritt kostet. War im Endeffekt recht schwierig - und wirklich eine krasse Erfahrung. Wir haben nämlich ein richtig krasses Restaurant gefunden...mit wunderhübsch eingerichtetem Separee [inklusive Toilette, ner dezent zurückhaltenden Kellnerin im Rücken und Champagner für Preise, bei denen man aufhört, die Nullen nach der Zahl noch zu zählen...] ich wäre am liebsten direkt wieder gegangen, weil ich mich so mal gar nicht wohl fühle - vor allem nicht mit ungeputzten Schuhen ;-) aber nach einiger Diskussion - und der Erklärung, dass wir die Ente wirklich wirklich nicht wollen - gab´s denn ne Bestellung über vier BaoZi und drei Cola. Jaaa - diese 50 Yuan waren vermutlich das absolute Mindestgebot für chinesischen Service...nachdem wir dann irgendwann die Rechnung wollten und das Restaurant verließen, hatten sich am Eingang gerade alle Mitarbeiter versammelt. Zwei spielten auf typisch chinesischen Instrumenten, die anderen standen sich brav in zwei Reihen gegenüber - vermutlich würde gleich ein Hochzeitspaar hereinkommen?! Und dann die schrecklich beschämende Erkenntnis: die standen für uns da!! Krass, nur schnell weg hier...!
Frisch gestärkt setzten wir unseren Spaziergang um den DaMingHu weiter fort. - Bilder folgen bei "ummich" - Da der Tag sich langsam dem Ende neigte, musste weitergeplant werden. Wir brauchen eine Übernachtungsmöglichkeit! Aber auch nach mehreren Anläufen in verschiedenen Hotels stellte sich das eher als hoffnungsloses Unterfangen heraus. Naa gut - dann ab zum Bahnhof, Ticket besorgen, die Nacht durchmachen, nach Hause fahren...Ebenso wie die Gegend um den DaMingHu - und auch den Rest Chinas - war der Bahnhof wunderschön iluminiert! "Schnell Ticketskaufen" endete in einem riesigen TicketCenter mit Warteschlangen bis auf den Bahnhofsvorplatz [achja...Drehkreuz für Bahnreisende aus ganz China...] Dann wurd´s nochma spannend: um 20:30 sollte der Schalter schließen. Bei genauer Betrachtung fiel uns dann auf, dass von etwa 20 Schaltern vier nicht durchgängig geöffnet hatten. Wir waren natürlich an einem...Um 20:25 kamen wir doch noch an die Reihe. Der letzte D-Zug war seit 6 Minuten weg. Da bleib uns nur noch ein K-Zug mitten in der Nacht. Also die letzten zwei HardSleeperTickets [à 101 Yuan] und ein StehTicket [55 Yuan] 12 Waggons weiter erstanden und mal wieder raus aus dem Getümmel.
Auf dem Bahnhofsvorplatz erstmal orientieren. Was leuchtet denn da auf der anderen Seite? Wer legt sich denn da grad mit dem KFC-Opa an?! Li ZhenFan...im Westen besser bekannt unter: Bruce Lee!! Ein BruceLeeKungFu McDonalds! Dafür hat sich der Weg auf jeden Fall gelohnt! :-) Natürlich unser nächstes Ziel, haben ja die Nacht eh nur Warten als ProgrammPunkt.
Ein KlassikerMenü bestellt und das Restaurant mit Aussicht auf uns wirken lassen. Essen war normal günstig für nen FastFoodRestaurant [Menü für unter 30 Yuan], der Salat wird hier gedünstet, und auf ALLEN Flächen wird man von Bruce Lee provoziert.
Nach dem Essen gab´s erstmal einen ausgiebigen Spaziergang durch das Bahnhofsviertel. Wir hatten ja immer noch Zeit. Nur irgendwann keine Lust mehr, also durch die Sicherheitskontrolle, ab in den Wartebereich. Überall lagen, saßen und standen Menschen. Aber nach zwei Zügen hatten wir auch endlich Sitzplätze. Dann haben wir noch lustige Mädchen kennengelernt, die alle Fotos mit uns machen wollten. Ich hab ein Foto mit mir und einem Mädchen mit lila (!) Haaren - zumindest für chinesische Verhältnisse waren die lila...und irgendwann ging´s dann auch in den Zug. Tati hatte die StehKarte, so wurden wir am Gleis getrennt. Flo und ich bekamen PlastikCheckKarten, damit auch klar ist, dass wir hier schlafen durften. Da der Zug von ShangHai kam, war das Klima im Zug entsprechend. Unser Abteil hatte sechs Betten, natürlich waren nur noch die obersten frei. Also gab ich Flo meine Sachen, weil ich´s eh viel spannender fand, durch die Abteile zu laufen als zu schlafen. Chinesen können in den lustigsten Positionen schlafen - überall! Über die Strecke leerte sich der Zug, irgendwann waren Sitzplätze frei - mal kurz die Augen ausgeruht und dann waren wir schon wieder in QingDao
Mit der Morgendämmerung setzte auch die Betriebsamkeit der Chinesen wieder ein. Es wurde sich geputzt, unfassbar viele verschiedene Sorten Creme ins Gesicht geschmiert, PappSuppen zubereitet und - das Abteil gewischt. Wer nicht schnell genug die Füße hoch bekam, hatte Pech, und die Soße landete auf dem Schuh...hier in Bild, was ich im Vorbeiflug der Putzenden grad noch machen konnte. Ver/ge-wischt erkennbar ist der Gang im Abteil - und richtig viel Müll.
Und hier nun - speziell für die Ausländer, weil es uns ja immer wieder gesagt werden muss - Spucken ist im Zug verboten! Auch sehr schön bildlich dargestellt...
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Thorsten Scholl (Sonntag, 03 April 2011 12:44)
Bruce Lee Hähnchen, wie geil !!!
"Finish him..."