QingMingJie

Heute ist der 106. Tag des chinesischen Mondkalenders: das QingMing-Fest. Qing bedeutet klar, Ming bedeutet hell. Heute werden die Gräber gereinigt, es wird der Toten gedacht. Wie macht man das? Zu allererst braucht man offensichtlich etwas Totengeld. Das kann man nämlich bei pfiffigen Händlern am Wegesrand erstehen. Und da heut jeder seiner Toten gedenkt, kann man auch überall dieses Geld kaufen. Dabei kann es aussehen wie eine eigene Währung, oder einfach nur aus großen quadratischen gelben Bögen bestehen. Nach einem komplizierten Ritual angezündet kann man so seinen verstorbenen Verwandten Geld überweisen. Oder eigentlich alles, was man so anzünden kann. Es gibt auch Autos, Kühe, Pferde - und ich hab gelesen, dass man selbst Papp-Prostituierte und Viagra zukommen lassen kann....

An allen Händlern und Papp-Handwerkern vorbei gekommen, gelangten wir auf den Friedhof, der natürlich auf einem Berg liegt. Der Vorplatz war wunderschön aufgeräumt, sehr ruhig und wirkte auch recht pompös. Um uns waren nun viele Menschen mit allerlei Pappgestrüpp und Geld ausgestattet. Da sie offensichtlich in eine bestimmte Richtung strömten, mussten wir nur noch folgen. Leider sind noch nicht alle Rituale bekannt, so dass wir noch etwas weiter ausserhalb blieben, um nicht zu aufdringlich zu sein. Immerhin wird heute der Toten gedacht!

Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es nicht mehr nötig, der Masse zu folgen. Es reichte vollkommen aus, sich auf seinen Geruchssinn zu verlassen. Eine riesige Aschewolke hing über den Platz, der komplett versteinert mit mehreren Bänken versehen ganz klar dafür ausgerichtet ist, das hier gezündelt werden darf. Hier darf nun alles abgeschickt werden, was man den Verwandten so gönnt. Auch Essen darf natürlich nicht fehlen. Ohne eigenes Anliegen fällt es allerdings schwer, sich hier aufzuhalten, da es schon extrem auf die Lunge geht. Mit Mundschutz ausgestattete Arbeiter dürfen die Asche zusammenkehren, damit noch genug Platz für die zu verschickenden Autos der nachfolgenden Besucher ist.

Auf der Rückseite des Friedhofes befand sich eine vielversprechende Treppe. Überraschenderweise ging der Berg also noch höher. Vielversprechend war die Treppe vor allem deshalb, weil man nicht sehen konnte, was einen oben angelangt erwartet. Also: hoch da!

Es ist garantiert typisch chinesisch, Treppen auf oder in Berge zu bauen. Ich bin bestimmt noch nie so viele Stufen geklettert, wie hier - und ich war wirklich oft auf Helgoland!

Am Ende der Treppe: eine weitere Treppe...aber nach rechts durch eine Wand begrenzt, die scheinbar einen Teil der Qingdao-Bevölkerung enthält. Da es sich hier ja um einen riesigen Ballungsraum von Menschen und einem Friedhofsberg inmitten einer Großstadt handelt, ist klar, dass die meisten Toten keine 2-3m² Mini-Garten bekommen werden. Die Grabpflege ist dafür hier deutlich erleichtert: ab und an ein paar Papp/Plastikblumen, etwas Tesa und schon hat man ein gepflegt wirkendes Grab. An QingMing wird hier erst ordentlich gefegt, dann ein Räucherstäbchen angezündet und dann werden noch ein paar Gaben vor dem Grab aufgestellt. Abschließend wird sich betend verbeugt. Den Brandflecken nach wird allerdings garantiert mehr angezündet, als ein Räucherstäbchen.

Hier hat ein fürsorglicher Angehöriger auch direkt an das Laster des Verstorbenen gedacht - und mitdenkenderweise die Kippe schonmal angezündet! Neben den liebevoll verzierten Gräbern soll es aber auch "normale" Gräber geben, so wie sie in Europa üblich sind.